Amtsgericht Wedding - Urteil vom 06.10.2015 - 7 C 237/14

Titel/Schlagworte:

Wohnraummiete, unwirksame Staffelmiete, Kündigungsausschluss, Rückforderung, unbedingter Klageauftrag

Normen:

§ 557a BGB, § 812 BGB, § 19 RVG, Nr. 2300 VV RVG

1. Keine Rückabwicklung gezahlter Mieten trotz unwirksamer Staffelmieterhöhungsvereinbarung wegen konkludenter Zustimmung zur Mieterhöhung durch Zahlung der erhöhten Miete.

2. Keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten bei unbedingtem Klageauftrag.

(Leitsätze des Redakteurs)

Amtsgericht Wedding

Urteil vom 06.10.2015 - 7 C 237/14

In dem Rechtsstreit

…

gegen

…

hat das Amtsgericht Wedding, Zivilprozessabteilung 7, in Berlin-Wedding, Brunnenplatz 1, 13357 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2015 durch den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt :

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von Mietzahlungen aus einer Staffelmietvereinbarung sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Parteien schlossen am 14.02.2010 einen Wohnraummietvertrag über eine in der …-Straße in Berlin gelegene Drei-Zimmer-Wohnung mit Mietbeginn ab dem 01.05.2010. Der Vertrag sah unter § 2 einen Kündigungsausschluss bis zum 30.04.2015 mit einer Verlängerung für jeweils ein Jahr im Falle des Ausbleibens einer Kündigung. In § 3 enthielt der Vertrag die Regelung, dass sich die Kaltmiete jährlich um 2 % erhöht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag (Anlage K 1) BI. 9 bis 11 der Gerichtsakte verwiesen.

Mit Schreiben, vom 11.10.2014 forderte die Klägerin den beklagten Vermieter unter Fristsetzung vom 25.10.2014 auf, schriftlich zu bestätigen, dass das Mietverhältnis jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden könne. Weiterhin forderte sie die Rückzahlung der aufgrund der Mietererhöhungsvereinbarung in den Jahren 2011 bis 2014 geleisteten Zahlungen in Höhe von 591,90 EUR.

Mit E-Mail vom 16.10.2014 reagierte die Ehefrau des Beklagten und teilte mit, dass die Mieterhöhungsvereinbarung gekündigt werden kann. Zur Kündigung als solcher stellte sie den Abschluss eines neuen Vertrages für den Zeitpunkt Februar 2015 mit den „Kündigungsfristen von 2013" in Aussicht. Auf den Ausdruck der E-Mail (Anlage B 2) BI. 49 der Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.

Auf die vorgerichtliche Aufforderung zur Rückzahlung der Mieterhöhung, Bestätigung des Kündigungsrechts sowie zum Ausgleich der vorgerichtlichen Anwaltskosten seitens der Bevollmächtigten der Klägerin vom 04.11.2014 unter Fristsetzung zum 14.11.14 teilte der Bevollmächtigte des Beklagten mit, dass es der Klägerin freistehe, nach den gesetzlichen Fristen zu kündigen. Ferner wurde eine teilweise Erstattung Mieterhöhung in Höhe von 211,76 EUR sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 83,54 EUR angekündigt und in der Folge auch gezahlt.

Die Klägerin behauptet, dass sie von der im Vertrag enthaltenen Mindestlaufzeit sowie der Mieterhöhungsregelung überrascht gewesen sei. Sie ist der Ansicht, dass es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele.

Die Klägerin beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 341 ,22 EUR nebst Zinsen in

Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem

26.10.2014 zu zahlen;

2) den Beklagten desweiteren zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche

Rechtsanwaltskosten i.H.v. 409,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über

dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.11.2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, nachdem er zunächst für den Fall der Abweisung des Klageantrages zu 1) widerklagend die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 305,30 EUR nebst Zinsen beantragt hatte und diesen Antrag dann in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2015 zurückgenommen hat,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass es der Klägerin wegen eines Insolvenzverfahren an der Aktivlegitimation fehle. Eine Rückforderung der Staffelmiete sei nicht möglich. Diese Regelung sei auf Wunsch der Klägerin getroffen worden, um die Umlage der Kosten absehbarer Modernisierungen zu vermeiden. Es handele sich um eine individualvertragliche Vereinbarung. Aufgrund der Zahlung über einen langen Zeitraum sei die Rückforderung ausgeschlossen. Die Mindestvertragslaufzeit sei auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin in den Vertrag aufgenommen worden.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die die Parteien zu den Akten gereicht haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung der gegenständlichen Ansprüche aktivlegitimiert. Auf den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom …, in dem das Insolvenzverfahren aufgehoben wurde, wird Bezug genommen. Dem ist die Beklagtenseite nicht mehr entgegengetreten.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche indes unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der in der Zeit des Mietverhältnisses erbrachten Leistungen auf die Staffelmietvereinbarung aus § 2 des Mietvertrages vom 14.02.2010 in Höhe von 341 EUR.

Die Staffelmietvereinbarung verstößt zwar in der hier gegebenen Form ohne Ausweis der Erhöhung in einem Geldbetrag gegen § 557 a Abs. 1 2. Halbsatz BGB und ist deshalb unwirksam (vgl. zur Unwirksamkeit: BGH, Urteil vom 15. Februar 2012 — VIII ZR 197/14 —, juris Tz. 14).

Gleichwohl ist eine Rückforderung für die Vergangenheit und damit ein Anspruch aus § 812 BGB ausgeschlossen. Eine Rückforderung im vorliegenden Fall stellt sich zur Überzeugung des Gerichts und unter Anschluss an LG Berlin, Urteil vom 08.04.2008 - 65 S 292/07 - BeckRS 2009, 26610 als unbillig dar. Die Parteien haben die Erhöhung der Miete in Form einer Staffelmietvereinbarung gewählt und dabei zugleich die Erhöhung der Miete nach den allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen. Insofern wäre die Rückabwicklung insoweit als unvollkommen anzusehen, weil zwar der Mieter dann die geleisteten Erhöhungsbeträge zurückfordern könnte, der Vermieter aber gegebenenfalls die Miete nach § 558 BGB erhöht und der Mieter zur Zustimmung verpflichtet gewesen wäre. Diesen Vorteil könnte der Mieter ohnehin nicht zurückgewähren. Eine solche Rückabwicklung ist auch nicht zum Schutz des Mieters geboten. Die Miethöhe ist auch bei nur prozentual festgelegte Erhöhung für den Mieter vorherseh- bzw. bestimmbar, so dass sich auch kein gesteigertes Schutzbedürfnis erkennen lässt. Dadurch, dass die Miete über Jahre hinweg gezahlt wurde, wird zudem deutlich, dass der Vollzug des Vertrages für den Mieter weder eine besondere Härte noch einen überraschenden Nachteil darstellt. Insoweit wird auch argumentiert, dass die Zahlung der erhöhten Miete für die jeweiligen Monate eine konkludente Bestätigung der Miethöhe darstellen, so dass die Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund erfolgten (LG Berlin, Urteil vom 9.11.2010, 63 S 138/10, juris, Tz. 15 f.). Dem schließt sich das Gericht an.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu. Das Gericht geht zwar davon aus, dass die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung zum Kündigungsausschluss für einen Zeitraum von fünf Jahren jedenfalls für das hier allein interessierende fünfte Jahr des Kündigungsausschlusses wegen Verstoß gegen § 557 a Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam ist. Dabei kommt es auf die Frage, ob die Regelung eine individualvertragliche ist, oder aber in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung gestellt wurde, nicht an (Palandt, BGB, 74. Auflage, 2015, § 557 a Rn. 11).

Gleichwohl steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus den §§ 535, 280, 286 BGB nicht zu. Die geltend gemachte Gebühr Nr. 2300 W RVG und damit ein Schaden ist nicht entstanden. Ausweislich des als außergerichtliche Tätigkeit abgerechneten Schreibens der Bevollmächtigten der Klägerin vom 04.11.2014 lag ein unbedingter Auftrag vor, die dargestellten Ansprüche gerichtlich geltend zu machen (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes). Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG gehören außergerichtliche Verhandlungen zum Rechtszug und sind mit der Gebühr für diesen abgegolten. Anders als der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2015 zu dieser Frage vorgetragen hat, stellt auch die Aufforderung zur Erfüllung der Forderungen unter Inaussichtstellen der klageweisen Geltendmachung keinen bedingten, eine Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslösenden Klageauftrag dar. Es ist selbstverständlich, dass eine vollständige Erfüllung der begehrten Forderungen auch im Falle des unbedingten Klageauftrages vor Klageerhebung nicht zur anschließenden Klageerhebung mit denselben Ansprüchen führen kann. Diese wäre offensichtlich unbegründet. Eine solche Aufforderung stellt die übliche „letzte Warnung" vor der Klageerhebung dar und ist kostenmäßig dem gerichtlichen Verfahren zuzuordnen.

Ein Zinsanspruch steht der Klägerin mangels Hauptforderung nicht zu.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 1 1, 71 1 ZPO.

[veröffentlicht von RA Florian Lawrenz, Kuckhoffstr. 54a, 13156 Berlin]

Urteil zum Mietrecht

Amtsgericht Wedding - Urteil vom 06.10.2015 - 7 C 237/14