ArbG Berlin - Beschluss vom 24.07.2017 - 38 Ca 7243/17
Titel/Schlagworte:
Örtliche Zuständigkeit, Arbeitsgericht, LKW-Fahrer, Kraftfahrer, Wohnort, gewöhnlicher Arbeitsort, Abreiseort
Normen:
§ 21 ZPO, § 29 ZPO, § 48 Abs. 1 ArbGG, § 48 Abs. 1a Satz 2 ArbGG
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts eines Kraftfahrers wird nicht durch den Abreiseort, bzw. Wohnort begründet (an welchem der LKW geparkt wurde). Sofern dort keine arbeitsvertraglich relevanten Pflichten ausgeübt werden, handelt es sich nicht um den Arbeitsort iSd. § 48 Abs 1a, S. 2 ArbGG
(Leitsatz des Redakteurs)
Arbeitsgericht Berlin
Beschluss vom 24.07.2017
38 Ca 7243/17
In Sachen
...
gegen
…
hat das Arbeitsgericht Berlin, 38. Kammer am 24. Juli 2017 ohne mündliche Verhandlung durch den Richter am Arbeitsgericht … als Vorsitzenden beschlossen:
Das Arbeitsgericht Berlin erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Nienburg.
Gründe:
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin ist unter keinem Gesichtspunkt gegeben. Der Rechtsstreit war daher nach Anhörung der Parteien an das im Beschlusstenor bezeichnete örtlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen (§ 17a Abs. 2 GVG, § 48 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 7 ArbGG).
Maßgeblich ist hier der allgemeine Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO). Es sind keine Umstände ersichtlich, die einen besonderen Gerichtsstand (§ 21, § 29 ZPO, § 48 Abs. Ia ArbGG) für den vorliegenden Rechtsstreit beim Arbeitsgericht Berlin begründen könnten. Einen Gerichtsstand des Wohnorts der klagenden Partei sieht das Gesetz nicht vor.
Nicht zu erkennen ist, dass sich beim Arbeitsgericht Berlin ein Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) befindet. Der Erfüllungsort ist bei Arbeitsverhältnissen aus den Umständen und der Natur des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen. In der Regel ist Erfüllungsort für die Leistungen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers der Sitz des Betriebes. Der Betrieb der Beklagten liegt jedoch nicht in Berlin, sondern in Barnsdorf.
Stellt man auf den Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses ab, führt dies ebenfalls nicht zum Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Berlin. Der Kläger erbrachte seine Dienstleistung als Kraftfahrer im Fernverkehr an einem geographisch nicht festgelegten Ort.
Auch § 48 Abs. 1a ArbGG ist vorliegend nicht einschlägig. Gemäß § 48 Abs. la ArbGG ist der Ort maßgebend an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Das Gesetz knüpft dabei nicht an die organisatorische Zuordnung, sondern an den Ort der tatsächlichen Ausführung an. Bei Fahrern kann ein solcher gewöhnlicher Arbeitsort an gerade nicht festgestellt werden. Sie erfüllen ihre überwiegenden der Fahrten ohne Bezug zu einem bestimmten Ort. Regelmäßiger Arbeitsort ist das Fahrzeug.
Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort im Sinne des § 48 Abs. la Satz 1 ArbGG nicht feststellbar, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (§ 48 Abs. la Satz 2 ArbGG). In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (Bundestags-Drucksache 16/7716): „Satz 2 regelt den Fall, dass ein Schwerpunkt der Tätigkeit nicht ermittelt werden kann, zum Beispiel weil Tätigkeiten vertragsgemäß in mehreren Gerichtsbezirken zu erbringen sind. Es ist dann auf den Ort abzustellen, von dem aus die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt.
Der Wohnort kann Arbeitsort sein, wenn dort mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten erbracht werden, zum Beispiel wenn ein Außendienstmitarbeiter zu Hause seine Reisetätigkeit für den ihm zugewiesenen Bezirk plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet. Kein Arbeitsort ist gegeben, wenn sich zum Beispiel ein Montagearbeiter oder ein Kraftfahrer im Rahmen einer Vielzahl einzelner weisungsgebundener Entsendungen vom Wohnort aus zum jeweiligen Einsatzort begibt."
Daraus folgt: Werden am Abreiseort keine Arbeitsleistungen erbracht, fehlt es an Umständen, die für eine Sachnähe zum Arbeitsverhältnis sorgen und damit den besonderen Gerichtsstand des Arbeitsorts rechtfertigen könnten. Der Gesetzgeber hat sich bei der Festlegung des Gerichtsstands für den Arbeitsort und gerade nicht für den Wohnort des Arbeitnehmers entschieden. Die Wahl des Wohnorts ist Privatangelegenheit des Arbeitnehmers und hat mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun. Erst wenn der Arbeitnehmer im ausdrücklichen oder stillschweigenden Einvernehmen mit dem Arbeitgeber am Wohnsitz arbeitsvertraglich relevante Tätigkeiten ausübt, besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Wohnort und Arbeitsverhältnis, der es rechtfertigt, dass der Arbeitgeber als Schuldner an diesem Ort verklagt werden kann (vgl. Reinhard/Böggemann, NJW 2008, 1263, 1266).
Deshalb ist hier der Wohnort des Klägers in Berlin für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts ohne Bedeutung. Die weit überwiegende Arbeitsleistung eines Kraftfahrers wird an einem geographisch nicht festgelegten Ort mit dem Fahrzeug durch die Erbringung von Fahrleistungen erbracht Deshalb ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger seine Arbeit in Berlin aufgenommen haben sollte. Der Kläger war nach seinen eigenen Angaben (Schriftsatz vom 06.07.2017) als Fernfahrer überregional eingesetzt. Die geschuldete Arbeitsleistung, die Fahrtätigkeiten, wurden damit nicht überwiegend in Berlin, sondern außerhalb Berlins erbracht.
[veröffentlicht von RA Florian Lawrenz, Kuckhoffstr. 54a, 13156 Berlin]